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AutorenbildAnna Gelbert

Lassen Sie mich durch - ich bin VEGAN!


Lassen Sie mich durch – ich bin VEGAN!

Bald jährt sich zum 30. Mal der Moment, als ich mit meinem Messer im Gulasch eine Gitarrensaiten-artige Sehne durchtrennte (Was macht eigentlich das Gericht Gulasch - gibt’s das noch?) und beschloss: Ich will nie wieder etwas essen, das Knorpel hat und Augen und ein Herz und Blutgefäße und eine Mutter. Da ich auch Käse, Butter und Sahne verabscheue, allerdings aus rein geschmacklichen Gründen, war ich schnell abgestempelt: VEGAN. Das klang zunächst ein bisschen wie eine schlimme Diagnose, und die nächsten beiden Jahrzehnte mit trostlos verfetteten Gemüsetellern in Restaurants, Soßen mit einem fetten Klecks Sahne und verzweifelten Urlauben in Frankreich (Fischfleischkäsefischfleischkäse) ließen auch nichts Gutes vermuten. Dann irgendwann in den 90-ern die Kehrtwende: Plötzlich gab es - zumindest in Reformhäusern – Fleischersatz, Tofu wurde von allen belächelt („Schmeckt wie Schuhsohle“), gab aber wenigstens mir das Gefühl, ab und zu auch etwas auf den Grill legen zu können. Allerdings war mir in dieser Gesellschaft auch nicht wohl: Durchgeknallte Liegeradfahrer mit Verstopfung kauften neben mir Leinsamen, andere Kunden hatten die exotischsten Nahrgunsmittelunverträglichkeiten und schauten so psychotisch, als hätten sie Oma im Keller einbetoniert. Und jetzt passiert das, was mir fast schon ein bisschen Angst macht: Aus einer Gewohnheit ist eine Religion geworden - zumindest für die halbe Welt um mich herum. Ich bin seit 30 Jahren vegan (bis auf gelegentliche Magermilchjoghurt und Omelette Ausflüge) und habe mich schon immer mit nem Teller Penne Arrabbiata oder einem Gemüsecurry zufriedengegeben. Jetzt predigen Hildmann und Jamie Mangold-Shiitake-Rollen und es Bulgur-t überall. Die Rügenwalder Mühle produziert Veggiewurst im Akkord, alle mampfen Falafel mit Chutney, als gäbe es kein Morgen- zumindest verdauungstechnisch. Tout le monde fährt jetzt zur Olivenernte und erhebt Steinsalz zum neuen IT-Gewürz. Aber auch die Fleischszene hat sich verändert. Abgepackt und NICHT-bio, das kaufen jetzt nur noch Hartzer. Alle anderen lesen auf dem Klo die Beef, haben einen 2000 Euro Grill im Garten und freuen sich, dass ihr Steak schon kurz vorm Abi war, als es dran glauben musste. Auch ok für mich. Ich war noch nie ein Missionar, soll jeder essen, worauf er Lust hat. Und meinen Kindern koche ich Rouladen und Königsberger Klopse – natürlich ohne zu probieren. Ich liebe den Geruch von Aufschnitt. Aber selbst reinbeißen? Undenkbar. Neu für mich: Das Gefühl, von einer Speisekarte unter mehreren Gerichten wählen zu können, statt das EINE zu nehmen, das eben infrage kommt. Ein Sinnen-Feuerwerk. Auch neu: Von Studentenpärchen, die sich über die Pastinaken bei Alnatura beugen, belehrt zu werden. Ich werde für den Rest meines Lebens kein Fleisch mehr essen – nicht aus Tierliebe (ich mag gar keine Tiere), auch nicht aus Gesundheitsgründen. Fremde stellen immer wieder erstaunt fest, dass vegane Ernährung nicht automatisch zu Untergewicht führt. LOW CARB ist als Veganer nun mal einfach nicht drin. Vermutlich werde ich nicht später oder gesünder sterben als andere. Aber immerhin mit ähnlich hohen Blutfettwerten! Auf die nächsten 30!

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