Uff. Weihnachten und Silvester sind geschafft. Der Januar sieht mit 48 Terminen allerdings auch nicht gerade beschaulich aus. Mein ganzes Leben rutscht ins SOLL: Ich soll 90 Prozent arbeiten, ich soll mit meinem Sohn französische Verneinungen lernen, ich soll bei 6-stündigen Fußball-Hallenturnieren ohne Sauerstoffzufuhr stehen, ich soll mit zum Bibi&Tina-Musical, ich soll mitten an einem Arbeitstag 200 Kilometer Autofahren, um dabei zuzusehen, wie meine Tochter auf Ski sieben Sekunden lang einen Hang hinunterfährt. Ich soll die Impfpässe der Kinder suchen ( ich glaube, das Wrack von Flug MH 370 findet sich leichter), ich soll Schinkennudeln für alle Münchner Kinder machen, ich soll 30 Kilometer zu einem Kindergeburtstag fahren, ich soll zwei Parties planen, ich soll zur Vorsorge, am besten gleich für alles. Ich überschlage schnell im Kopf: Wie viele Aufgaben könnte ich nicht wahrnehmen, sollte ich einmal 30 Minuten in einem MRT verschwinden? Aber Gott scheint ja ein Mann zu sein, und der kann nicht wollen, dass Frauen in den besten Jahren ausfallen. Ach ja: Ich soll nicht wahnsinnig werden. Das ist am schwierigsten.
Einziger Lichtblick in diesem tristen Winter: Die Urlaubsbuchung. Jetzt gibt es sie noch, die geilsten Ferienhäuser, die schönsten Resorts, die fettesten Frühbucher-Rabatte. Mitten in diesem Monat, der genauso vollgestopft ist wie der davor, ist das ein echter Anker: Jetzt was für Pfingsten buchen, für den Sommer gleich hinterher, sich ein paar Freuden-Poller bauen. „Im Mai fliegen wir nach Sevilla...“, beiläufig ins Gespräch einfließen lassen, ganz lässig sagen können: „Ach Du, für den Sommer haben wir schon die Finca in Soller gebucht, die ist sonst immer so schnell weg“. Davon träume ich.
Die Realität sieht allerdings so aus:
„Du Schatz (Schatz sag ich nie, aber dramaturgisch passt es gut hier rein), wie wär’s, wenn wir für die Sommerferien demnächst die Buchung angehen, dann haben wir etwas, worauf wir uns freuen können?“ Oh Gott! Ich hab’s gesagt, das B-Wort. Jetzt wird’s richtig ungemütlich: Meinem Freund gefriert das Gesicht, ein Rinnsal Kaffee fließt den Bart hinunter, weit aufgerissene Augen künden von nackter Todesangst. Genausogut hätte ich vorschlagen können: „Wir wollten Dir heute doch diesen großen Blasenkatheder legen lassen“ oder „Wie wär’s, wenn wir mal alle Steuer-relevanten Unterlagen der letzten zehn Jahre raussuchen?“ Ich will doch nur URLAUB buchen, die schönste Zeit des Jahres, die Wochen, auf die sich alle freuen, einen Sommer, von dem man ewig zehrt?
Viele Frauen leben mit einem solch Exemplar Mann, das eigentlich wunderbar ist: Kein Glotzer, kein Kokser, kein Honk. Trotzdem muss man Angst vor ihm haben, denn er leidet an HFBL: Hochgradig fortgeschrittener Buchungs-Lähmung. Ferien fixen geht mit ihm nur über listige Umwege: Jede Planung wird verschludert bis kurz vor Ferienbeginn, jedes offene Laptop mit einer Urlaubsseite wird stoisch ignoriert. Standard-Antwort: „Lass uns bitte damit warten bis…“- Achtung: Ab hier kannst Du aus dem Das-Sitz-Ich-Aus-Baukasten jeden beliebigen Satz einsetzen: „…bis nach Ostern, bis nach dem Geburtstag aller Menschen die wir kennen, bis die Pfannkuchen-Fresse aus Nordkorea und der andere Irre sich geeinigt haben, bis sich alle potentiellen Attentäter auf der Welt freiwillig ergeben haben, bis noch mehr Airlines hops gehen, bis ich die Lampe im Flur repariert habe.“ Schon gecheckt. Er will nicht.
Du kannst als Frau jetzt a) sofort mit Trennung drohen und alle Vergehen der letzten Monate anbringen, die Du nach außen großzügig weggelächelt, aber natürlich als Munition für Notzeiten fein säuberlich archiviert hast. Du kannst auch b) den Guerilla Krieg beginnen, überall Traveller Magazine rumliegen lassen, häufig über das schlechte Wetter klagen und träumerisch darüber sprechen, wie schön es jetzt wäre, mit Ihm an einem fernen Strand zu liegen – statt im Nordbad. Und Du kannst auch c) abwarten. Lass ihn ruhig wie jedes Jahr davon träumen, einfach ganz spontan ein Täschchen mit dem Alleraller-Nötigsten (Zahnbürste. Unterhose.) auf den Beifahrersitz zu schlenzen und einsam und kojotenmäßig über den Brenner zu brettern, im Radio Johnny Cash, im Mund eine Kippe, im Kopf alle Sorgen ganz weit weg. Kein Mann hat Lust, bis unters Dach bepackt mit vollgekotzen Rücksitzen nach Bibione zu tuckern und zu wissen, wo und was er die nächsten vierzehn Abende essen wird. Er will Abenteuer.
Jetzt musst du die Nerven bewahren und die Situation eskalieren lassen: Zieh das ruhig mal mit durch. Er wird der erste sein, der am Irschenberg den Stau verwünscht (kein Wecker gestellt, eh kloar), der schimpft, weil die Kinder quengeln und, der zetert, weil im pittoresken Dörfchen neben der A8 nicht ein Dreckszimmer frei ist. Jetzt kannst du gnadenlos zuschlagen. Aber gemach, gemach: „Hätt ich Dir gleich sagen können“, ist der falsche Satz. Eher sowas wie „Mag jemand da hinten noch Apfelschnitze? Ich hab ein bisschen was mitgenommen, für alle Fälle“. Demütigung durch Fürsorge. Wichtig bei dieser Strategie: Nicht zu dick auftragen, das durchschauen alle.
Um den Abbruch und die folgende – absolut - unfruchtbare Diskussion („Immer musst Du…“, „jaaa, weil Du immer...“) abzukürzen, kannst Du auch schnittig Lösung d) wählen: Du nutzt die zerknirschte Stimmung, setzt Dich daheim an den Computer, präsentierst ihm drei Locations und drei Preise (nicht mehr, nicht weniger) und ZACK! Vollzug.
Geht auch einfacher? Klar, es gibt sie hier und da, die Männer, die am Rechner Buchungs-Ehrgeiz entwickeln (der Vater meiner Kinder ist da eine löbliche Ausnahme). Bei allen anderen sprengt es die Vorstellungskraft, sich im Januar 34 Grad und einen Pool auszumalen. Viel eher fragen sie sich: Woher soll ich denn jetzt schon wissen, wo ich im Sommer sein will? Ihr beide wisst, dass er auch dieses Mal nicht durch Myanmar trekken und auch nicht in Burundi Brunnen bauen wird. Der kluge, aber buchungsgelähmte Mann lässt seine Frau machen und freut sich, dass er den ganzen Kram von der Backe hat. Die kluge Frau nervt nicht mit zu vielen Details und macht einfach. Und wenn dann endlich die Bestätigungsmail des Reiseveranstalters kommt, dann braucht ihr alle nach diesem Nervenkrebs möglichst schnell: URLAUB.
AUB!