Mit 46 Jahren erreichen die meisten Menschen den absoluten Tiefpunkt ihrer Lebenszufriedenheit. Das sagt eine Studie aus dem Jahr 2008, die in 72 Ländern durchgeführt wurde. Demnach sind die meisten von uns mit 46 in der Talsohle des Glücks, im Verdauungstrakt des Lebens.
An diesem Punkt stehe seit gestern: ich. Zumindest behauptet das mein Pass, der auch schon wieder abgelaufen ist. Herrje, warum stehen da immer so absurde Jahreszahlen drauf, die dann doch irgendwann plötzlich DA sind? Beim Antragstellen auf dem Amt liest sich die Zahl wie ein Emmerich-Spektakel in ferner Zukunft. Aber schwupps, ist das Datum da, und Du musst nicht nur zum KVR, Du bist auch eben mal um zehn (!) Jahre gealtert. Auf dem KVR alterst Du dann nochmal um zehn.
Ich habe meinen Geburtstag immer extrem ernst genommen. Mit 13 Jahren war ich überzeugt, dass George Michael, der ebenfalls am 25.6. geboren wurde (und leider schon vor mir ausgecheckt hat), für mich bestimmt sei. Dass unser gemeinsames Wiegenfest uns zu Soul Mates machen könnte und er mir am Privatpool Careless Whisper singen würde, während ich eine Hand in seiner Brustwolle vergraben würde. Schon bald musste ich allerdings erkennen, dass George Michael, den ich als Musiker bis in alle Ewigkeit verehren werde, doch eher für muskulöse Sicherheitskräfte und gut gebaute Stylisten gemacht war - und nicht für mich, einen pummeligen Teenie mit Liebes-Sehnsucht.
Schwer angeschlagen von dieser Erkenntnis machte ich mich auf die Suche nach einem anderen Sinn für Geburtstagsfeierlichkeiten.
Ich konzentrierte mich auf: Mich. Feierte jedes Fest mit allem Zipp und Zapp. Mein Dreißigster? Keine Krise, sondern eine rauschende Überraschungsparty, die mein damaliger Freund organisiert hatte.
Mein Vierzigster? Ein fantastischer Tag mit meinem Mann und den Kindern.
Zugegeben, nach 40 werden die Geburtstage ein bisschen wackeliger, die Eltern kränker, die Jobs nerviger, die Beziehungen brüchiger. Seit ich Mutter bin, weiß ich außerdem: Die meisten Feste gestalten wir jetzt vor allem für die Kinder.
Alle, bis auf dieses.
Mein Geburtstag ist mir - vor allem in den 40ern, diesem Jahrzehnt, das sich anfühlt wie eine zweitägige Bergwanderung bei schlechtem Wetter - heilig. Seit rechts und links von mir fleißig gestorben wird, weiß ich auch: Jeder Geburtstag kann das Finale sein. Du musst nicht jeden Tag leben, als sei es der letzte. Jeden Geburtstag aber schon.
Das hab ich verinnerlicht. Und jetzt? Wache ich jedes Jahr auf, schätze mich glücklich, zwei gesunde Kinder zu haben, Menschen die mich lieben, Menschen, die mir verziehen haben, Menschen, die meinen BLOG lesen, Menschen, die mich scheiße finden (ja, auch das ist etwas wert) und Menschen, die ich 24/7/365 um Geld, Gehör oder eine Tasse Mehl anschnorren könnte. Ist Dankbarkeit die neue Lebensfreude?
Nope.
Lebensfreude ist die neue Lebensfreude.
Mein perfekter Geburtstag sah gestern so aus:
Frühglücks-Bescherung mit den Kindern
Zwei Stunden Außenfassaden-Sanierung bei Clarins
Ladies Lunch mit Freundinnen
Spielplatz mit der Familie
Total-Absturz beim Edel-Griechen
Heute, 4 Stunden Schlaf und 400 mg Ibuprofen später weiß ich: Vielleicht hat George Michael seinen, unseren Geburtstag, nicht immer gebührend gefeiert und stattdessen Welthits geschrieben.
Damit kann ich nicht dienen. Im Gegenteil: Ich habe heute einen Kater, der sich anfühlt, als würde jemand konstant "Freedom" rückwärts singen.
Dafür lebe ich noch. Cheers to you, George. Heute mit Apfelschorle.